Mit Reim und Rhythmus spielend Sprachentwicklung fördern: Teil 4

Dra Chanasan mat dam Kantrabass

Drei Chinesen mit dem Kontrabass - Spaß an Unsinn-Versen und Vokalklängen

In Liedern leben Geschichten – und Geschichte! Ihnen nachzuspüren, bleibt Annäherung, vielleicht Mutmaßung, kann sich als spannend und überraschend erweisen. Volkslieder, die in Häusern und auf Straßen von Menschen für Menschen entstanden sind und den Weg in die Welt gefunden haben, führen mitunter ein freies und wildes Leben und lassen sich gar nicht so leicht einfangen, be- und festschreiben.

Beim Bildkartensatz zu den „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ wurde für das Erzählen mit Kamishibai nicht wie in den bisher vorgestellten Bildsätzen zur Sprachförderung eine vorgegebene Geschichte durch kleine Verse spielerisch erweitert, sondern die tradierten spielerischen Liedverse sind in eine neu erdachte Rahmengeschichte eingebettet worden – auch, um die durchaus umstrittene Bedeutung dieser Verse neu und anders zu erschließen.

Das Lied von den Drei Chinesen mit dem Kontrabassist als musikalisches Sprachspiel seit Anfang des 20. Jahrhunderts im Umlauf und hat unterwegs Übertragungen in skandinavische Sprachen, in Türkisch und Hebräisch erlebt. Auch lassen sich zahlreiche Variationen zur Zahl und Herkunft der Musikanten nachweisen. Nicht immer besteht die muntere Gruppe aus drei Musikanten und nicht überall kommen sie aus China …

Wie und warum das Lied entstanden ist – dazu gibt es im deutschen Sprachraum mehrere Theorien: Die einen wittern hinter dem Lied eine kolonialistische Haltung und sehen in dem Spaß mit den „drei Chinesen“ eine rassistische Tendenz durch das Lächerlichmachen von Menschen aus anderen Ländern. Die anderen ziehen eine Verbindung zum sprachspielerischen Humor der Dada-Kunst im frühen 20. Jahrhundert. Und wieder andere erkennen in dem Lied einfach die kindliche, geradezu universell in vielen Ländern und Sprachen der Welt lebendige Lust an Unsinn-Versen und Vokalklängen, die hier mit den „drei Chinesen“ jene eingängige Form, Klangkunst und Bildhaftigkeit gefunden hat, die es braucht, um mündlich eine weite Verbreitung und Variantenbildung zu finden.

Da die sprachspielerische Komponente des Vokaltausches in besonderer Weise zur internationalen Popularität und Variantenbildung beigetragen hat, liegt die Vermutung nahe, dass es bei dem Lied vor allem um die spielerische und klangliche Bedeutung von so vokalreichen  Begriffen wie „Chinesen“ und „Kontrabass“ geht und nicht um eine wertende Aussage und Charakterisierung von Menschen einer bestimmten Nationalität. Diese und andere Überlegungen und Entdeckungen waren bedeutsam bei dem Versuch, das alte Lied mit einer neuen Rahmengeschichte für Kamishibai zu verbinden und zu vermitteln. Entwickelt hat sich auf diese Weise ein Konzept für eine Bildergeschichte, das dem Charakter des Liedes gerecht werden möchte, indem …

  • das Motiv des Vokaltausches als sprachspielerisches Element in den jeweils neu dazu erzählten Szenen ebenfalls aufgegriffen  und narrativ entfaltet wird. Denn der im nachfolgenden Vers jeweils variierte Vokalklang wird durch die zuvor erzählte Szene besonders häufig verwendet und so bereits vorbereitet.
  • der Ursprung des Liedes in der Alltagskultur von Kindern durch Alltagsszenen mit Kindern vermittelt wird.
  • die „drei Chinesen“ für Spontanität und Freude am gemeinsamen Musizieren, für überraschende Momente im Alltag stehen und nicht für eine bestimmte Nationalität.
  • das Miteinander aller Protagonisten von Vielfalt, Lebenslust, Toleranz und Respekt geprägt ist, bei dem nicht über andere, sondern miteinander gelacht wird.
  • die „drei Chinesen“ nicht als exotische Sonderlinge ausgegrenzt oder ins Lächerliche gezogen, sondern als zwei Männer und eine Frau selbstbewusst und mutig in ihrem Auftreten dargestellt werden, die aus eigener Initiative andere Menschen zum Staunen bringen – und zum Mitmachen!

Denn der Ton macht die Musik und die Färbung prägt das Bild, das dabei in den Köpfen entsteht: Begibt man sich auf die Spur alter Lieder, wird deutlich, wie schillernd sie ihre Bedeutung wechseln können – je nachdem, in welchen Kontext sie gestellt und mit welchen Lesarten und Intentionen sie in Verbindung gebracht werden.

Weitere Beispiele zum Thema Sprachförderung durch Klang, Reim und Rhythmus im Kamishibai: Der dicke, fette Pfannkuchen, Der kleine Häwelmann, Die drei Schmetterlinge.

Die Rahmengeschichte, die das Lied von den „drei Chinesen“ nun mit einer bunten Szenen- und Bilderfolge für Kamishibai wiederum in einem solchen Kontext neu verortet, sucht die Anknüpfung an das Sprachspielerische und Alltägliche im Leben von ganz verschiedenen Menschen einer Stadt und erschließt so Motive, die bei seiner Entstehung vor rund 100 Jahren vielleicht auch eine Rolle gespielt haben mögen, neu für die gegenwärtige Singpraxis in Kindergarten, Familie und Schule. 

Es bleibt dabei: In Liedern leben Geschichten und Geschichten erwecken Lieder zu neuem Leben  –  bis heute …