Popcorn? Kamishibai in der Grundschule

Ein Erfahrungsbericht und Tipps zum Kamishibai im Religionsunterricht

Publiziert am 28.06.2018 von Catharina Fastenmeier

Das Erzähltheater Kamishibai ist inzwischen auch bei vielen Grundschulpädagog:innen beliebt. Eine Religionslehrerin erzählt, wie sie das Kamishibai in ihren Klassen vorstellt, und gibt Tipps zum Erzählen  für eine gelingende Unterrichtseinheit.

Das erste Mal oder: Aller Anfang sind Regeln

Wenn ich das Klassenzimmer betrete und meine typische „ Kamishibai-Tasche“ dabei habe, wächst die Vorfreude bei den Kindern sichtbar. Einige kommen zum Pult und fragen: „Welche Geschichte erzählst du uns heute?“, obwohl sie natürlich genau wissen, dass ich keine Silbe herausrücken werde, bevor der Vorhang/die Tür sich öffnet!

Am Anfang jeder Erzählung stehen die Regeln. Beim allerersten Mal, als ich das Kamishibai einsetze, frage ich in die Klasse: „Wer von euch war schon einmal im Theater?“ Darauf heben eigentlich alle Kinder die Hände (auch wenn sich später herausstellt, dass ein paar der Schüler im Kino waren ...).
„Und? Wie verhält man sich da?“
„Man muss leise sein!“ – „Man darf den Schauspieler nicht stören!“ – „Man darf nicht herumlaufen!“ – „Man darf nix essen!“ (Hier kommt es zu ersten Kontroversen, weil einige Schüler denken, Popcorn ist erlaubt. Der Unterschied zwischen Theater und Kino wird hier lebensnah geklärt!)
„Gut! Und – was darf man überhaupt?“
„Zuhören!“ – „Zuschauen, was der Schauspieler macht!“ – „Man soll Augen und Ohren aufmachen!“

Damit ist alles gesagt! Habe ich das Kamishibai schon häufiger eingesetzt, frage ich einfach noch einmal nach: Welche Regeln sollt ihr beachten? (Die Frage nach dem Popcorn hält sich allerdings kontinuierlich.)
Nachdem alle ihre Plätze eingenommen haben, geht es los!

Herzlich willkommen im Erzähltheater!

Wenn ich nur wenige Kinder habe, begrüße ich nun jedes Kind mit Namen. Einige Schüler begrüße ich mit ihrer Klasse: „Liebe Klasse 3 b ... (ich suche Blickkontakt zu den Schülern, dazu lasse ich mir richtig Zeit ...) herzlich willkommen im Erzähltheater!“ Damit öffne ich die Türen, die Spannung auf den Gesichtern der Schüler ist fast zu greifen, Stille herrscht im Klassenzimmer – und die Geschichte beginnt!

Ein Erzähltheater – viele Möglichkeiten!

Eine Möglichkeit das Kamishibai einzusetzen ist, die Geschichte nach den Erzählkarten komplett an einem Stück zu erzählen. Aber das ist längst nicht alles!

Gerade bei „heißen Eisen“, wie der Geschichte "vom verlorenen Sohn" unterbreche ich die Erzählung an prägnanten Stellen und frage nach: „Wie fühlt sich diese Person gerade?“ Die Schüler müssen nicht lange überlegen – gerade weil die Bilder die Emotionen so gut einfangen, können sie sich in die Figuren hineinversetzen und die Gefühle der einzelnen Personen zum Ausdruck bringen. Durch die Unterbrechung der Geschichte an verschiedenen Stellen können die Schüler das Gefühlschaos und die Entwicklung der Person/en gut nachvollziehen.

Ebenso kann man die Figuren sprechen lassen. An besonders aufgeladenen Stellen, zum Beispiel wenn der verlorene Sohn seinem Vater wieder begegnet, kann man gemeinsam überlegen, welche ersten Worte diese wohl miteinander wechseln könnten. Dadurch haben die Schüler die Möglichkeit nicht nur Gefühle, sondern auch Gedanken auszusprechen, welche ihnen in Verbindung mit der Geschichte durch den Kopf gehen.

Eine andere Möglichkeit ist die Unterbrechung der Geschichte an ihrem Höhepunkt und die Frage, wie die Geschichte, aus der Perspektive der einzelnen Personen, zum Beipiel der des Vaters, des verlorenen Sohnes und des daheimgebliebenen Sohnes weitergehen könnte. Hier kann sich ein längeres Lehrer-Schüler-Gespräch ergeben. Verschiedene Möglichkeiten werden durchdacht – und gerade, wenn die Schüler einen harten Standpunkt vertreten („Der Vater sollte den Sohn nicht mehr aufnehmen!“) kann ein Perspektivenwechsel („Jesus hat diese Geschichte erzählt und wahrscheinlich sehen einige Leute seiner Zeit das genau wie ihr, aber Gott hat einen anderen Blick auf den verlorenen Sohn, hört mal, wie die Geschichte weitergeht“) die Augen öffnen.

Wichtig ist mir, die Geschichte am Kamishibai auch nach Unterbrechungen oder Gesprächen bei einzelnen Szenen abzuschließen und zu Ende zu erzählen, denn dann kommt das Beste!

Den lasse ich mir immer geben: Applaus, Applaus!

Wenn ich die Geschichte am Erzähltheater beendet habe, schließe ich schweigend die Türen. Ich schaue den Schülern direkt in die Augen. Beim ersten Mal braucht es vielleicht noch eine Aufforderung: „Hey, Leute ... ich erwarte einen Applaus!“, aber ich versichere Ihnen, das muss man nicht zwei Mal sagen. Und, ganz ehrlich – nach einer spannenden Erzählung, habe ich diesen Applaus wirklich verdient!

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