Ein Märchen für Fantasy-Fans
"Jeden Nachmittag, wenn die Kinder aus der Schule kamen ...“ – das ist ein untypischer Märchenbeginn. Normalerweise beginnen Märchen doch so: „Es war einmal, vor langer, langer Zeit ...“ Aber unser Märchen beginnt anders, es ist auch kein klassisches Volksmärchen, sondern ein Kunstmärchen. Das heißt, es kann einem bestimmten Autor mit Namen zugewiesen werden: Oscar Wilde, einem irischen Schriftsteller aus dem 19. Jahrhundert.
Im Märchen "Der selbstsüchtige Riese" stehen auch nicht Prinzessinnen und Helden im Mittelpunkt, sondern ganz normale Kinder. Sie treffen sich jeden Tag in einem großen Garten, um dort zu spielen. Aber es wäre kein Märchen, wenn nicht fantastische Gestalten darin vorkommen würden, in unserem Fall: der Riese.
Das Märchen erinnert deshalb eher an beliebte Kinder-Fantasygeschichten wie "Charlie und die Schokoladenfabrik" oder "BFG – Big friendly Giant" oder die Harry-Potter-Serie als an klassische Märchen: Die Welt ist unserer modernen Welt ähnlich, aber es treten eben märchenhafte Gestalten darin auf. Der "selbstsüchtige Riese": ein Märchen für Fantasy-Fans.
Die Magie der Emotionen
Im "selbstsüchtigen Riesen" spielen Emotionen eine große Rollen. Die Kinder haben eine schöne Zeit im Garten des (abwesenden) Riesen: „Wie glücklich wir hier doch sind!“, rufen sie immer wieder. Doch dann kommt der Riese nach jahrelanger Abwesenheit nach Hause zurück und verjagt als allererstes die spielenden Kinder. „Mein Garten, das ist mein Garten“, sagte der Riese“, das ist doch ganz klar und ich erlaube niemandem außer mir selber, darin zu spielen." Sein Ego ist so riesenhaft aufgeblasen, dass neben ihm nichts Platz hat. Um dies zu bekräftigen, baut der Riese eine Mauer um sein Anwesen, um die Kinder auszusperren und vom Spielen abzuhalten. Doch seine Herzenskälte breitet sich auf seinem ganzen Grundstück aus: Der Winter kommt und bleibt, Schnee, Frost und Hagel toben sich über dem Dach des Riesen-Hauses aus und halten den Frühling ab, in den Garten zu kommen.
Wenn Kinder kalte Riesen zum Schmelzen bringen
Und so lebt der Riese allein in seinem großen Haus, das in seinem großen Garten steht, und sehnt sich doch bei aller Herzenskälte nach ein wenig Frühlingswärme. Bis eines Tages die Kinder sich ihren Spielplatz heimlich zurückerobern und die Kälte sich dadurch verflüchtigt und die Kinder damit auch das kalte Herz des Riesen zum Schmelzen bringt. Besonders ein kleiner Junge erregt sein Mitleid: So geschieht es, dass sich die Kälte zurückzieht und der Frühling und das Leben wieder Einzug hält in den Garten und das Leben des Riesen. Dieses Märchen von Oscar Wilde wird Kindern gefallen: sie erfahren um die Macht, die sie bei Erwachsenen haben.
Als der Riese das sah, wurde sein Herz weich. „Wie selbstsüchtig bin ich gewesen!“, rief er. „Jetzt weiß ich, warum der Frühling nicht hierherkommen wollte. Ich will dem armen kleinen Jungen in den Baumwipfel helfen und dann will ich die Mauer einreißen: Mein Garten soll für alle Zeit der Spielplatz der Kinder sein.“
Ideen zum Erzählen des Märchens
Das Märchen lebt von den Gegensätzen "Klein und Groß", "Kalt und Warm" und dies kann beim Erzählen des Märchens mit den Bildkarten wunderbar aufgegriffen werden:
Mit Sinnesübungen
Alltagsgegenstände und Naturmaterialien, die Kälte und Wärme, Weichheit und Härte beinhalten, werden beim Erzählen herumgereicht: Eiswürfel, die winterdürre Äste der Bäume, ein Schneeglöckchen, eine blühende Primel ...
Durch Verklanglichen
Klanginstrumente kommen beim Erzählen der Geschichte zum Einsatz: z.B. Fingerzimbeln für die Untermalung des Kinderspiels; Paukenschläge für das Stampfen des Riesen; hohe Glockenspieltöne, Triangeln, Kalimba für Frühlingsamtmospäre und Schmetterlinge ...; Schellenstab/Schlittengeläut für die Kältepassagen; ein Becken für die Winterstürme; den Brummtopf für den Frost; Windrohr für den Sturm; Glöckchen für den kleinen Jungen, der das kalte Herz des Riesen zum Schmelzen bringt usw. Ideen zum Verklanglichen und den Einsatz von Orff-Instrumenten finden Sie hier.
Mit einer Fantasiereise oder Imaginationsübung
Wenn die Welt unter einer Schneedecke ruht, bereiten sich tief in der Erde die Blumen darauf vor, rechtzeitig zum Frühling aufzuwachen und zu wachsen. Die Kälte und der Schnee deckt alles zu, aber noch im tiefen Winter beginnt die Natur zu erwachen. Beispiele für Fantasiereisen im Winter finden Sie z.B. in: Fantasiereisen für Frühling, Sommer, Herbst und Winter.
> Weitere Anregungen für die Grundschule zu diesem Märchen gibt es beim RPI Loccum.