„Als Religionslehrerin bist du Geschichtenerzählerin“

Ein Erfahrungsbericht aus der Grundschule

Publiziert am 06.07.2017 von Katharina Ammen

"Ich arbeite gerne mit dem Kamishibai, weil es mir den Unterricht erleichtert und ihm eine neue erfrischende Struktur verschafft." Die Lehrkraft für Grundschule Katarina Ammen aus Bardowick setzt das Kamishibai gerne im Religionsunterricht ein. Hier erzählt sie, was für sie die größten Vorteile sind und wie sie es anwendet.

Von der Fortbildung ins Klassenzimmer

Es ist jetzt zwei Jahre her, dass ich auf einer Fortbildung an einem Medientisch stand und zum ersten Mal ein Kamishibai-Bildkartenset in den Händen hielt. Die liebevoll gestalteten Aquarelle sprachen mich besonders an. Sie sind einfach strukturiert, ihr Aufbau ist klar gegliedert. Trotzdem empfand ich Freude beim Betrachten der gezeichneten Figuren und ihrer Umgebung, der Wechselwirkung von Farbe und Raum. Ich wollte etwas Besonderes und etwas besonders Praktisches für meinen Unterricht ausprobieren.

Als Religionslehrerin ist man Geschichtenerzählerin. Warum also nicht einmal Biblische Geschichten mit dem Kamishibai erzählen, dachte ich mir. Einfach das Kartenset rein, Türen auf und los erzählt. Allein das Wort ist lustig.

„Kamishi-was?“, riefen mir die Schüler zu als ich zum ersten Mal das Tischtheater durch die Klassenzimmertür trug. „Das ist japanisch“, rief ich, „und heißt Papiertheater!“ „Aha, Frau Ammen!“, schmunzelten mir die Kinder entgegen. Dann mal los, dachte ich und versammelte alle Schüler im Kinositz.

Es gibt kein fertiges Rezept zum Einsatz des Kamishibai. Am Anfang muss jeder Lehrer selbst für sich einen Weg finden, wie er das Kamishibai gut einsetzen kann, wie er sich und das Kamishibai platziert, welchen Sprechmodus er zum Vortragen wählt. Sicher, auf einem gut vorbereiteten Tisch mit Decke, Klangschale und Figürchen wird es für mehr Aufsehen sorgen, aber es funktioniert auch ganz spontan - selbst draußen auf dem Schulhof, auf einer festen Unterlage. Erstaunlicherweise hat das Kamishibai an sich bereits eine faszinierende Wirkung auf die Schüler.

Kamishibai ist wie eine kleine Auszeit für die Schüler

Seien wir doch mal ehrlich, im Unterrichtsvormittag erwarten wir, dass die Schüler rund um die Uhr Aktivität zeigen und Leistung abliefern. Das strengt an.

Wenn ich die Schüler zum Kamishibai einlade, beobachte ich, dass s elbst ältere Grundschüler sich noch freuen, wenn sich die Türen öffnen und sie einer Geschichte lauschen können. Es scheint mir, als würden die Kinder beim Vorlesen und Erzählen zu sich kommen. Das Kamishibai ist dann wie eine kleine Auszeit für sie.

So setze ich das Kamishibai ein

Darin liegt für mich bereits ein großer didaktischer-methodischer Gewinn. Ich habe die Schüler mit wenig Aufwand schnell fokussiert und erlebe bei ihnen eine relativ lange Aufmerksamkeitsspanne. Ich nutze das Kamishibai in der Regel 15-20 Minuten, um eine neue Einheit einzuführen oder den Inhalt einer Geschichte zu vertiefen. Die Textübersicht auf dem ersten Kartenblatt lese ich mir vorher durch und überlege, ob ich den Inhalt so oder geändert vorlesen möchte. Auch scheint es sich bewährt zu haben, aus praktischen Gründen die Textabsätze vorher auszuschneiden und auf Karteikarten zu kleben, um auch im Stehen (und mit wenig in den Händen) erzählen zu können. Alternativ dazu kann man sich zu vielen Bildkartensets das passende Mini-Bilderbuch dazu bestellen. Dann hat man gleich den Text und das Bild vor sich zum „spicken“.

Ich arbeite gerne mit dem Kamishibai, weil es mir den Unterricht erleichtert und ihm eine neue erfrischende Struktur verschafft. Das Tischtheater wird als Medium genutzt um Geschichten anhand von wunderschön gezeichneten Bildkarten und Sprache zu transportieren. Dies hat eine ganz andere Wirkung auf die Schüler als das „stupide“ schnell mal den passenden Text aus der Schulbibel vorzulesen. Auch die weiterführenden didaktischen Fragen, welches Bild ich zum Bibeltext zeigen oder wie ich den Gesprächsverlauf gestalten könnte, erübrigen sich, weil die Schüler beim Kamishibai-Vortrag beides simultan präsentiert bekommen.

Doch was passiert nachdem der Vortrag geendet hat? Was gebe ich den Kindern anschließend zur Vertiefung an die Hand? Ich würde mir wünschen, dass der Verlag zu ausgewählten Themen noch weiterführendes didaktisches Material zur Verfügung stellt, so dass die Kinder genau mit den ihn bekannten Figuren aus dem Kamishibai in die vertiefende Einzel- oder Gruppenarbeit gehen können.

Für weitere Ideenvorschläge zum Einsatz des Kamishibai im Primarunterricht erhielt die Grundschule Bardowick am 15. Juni 2017 die Möglichkeit, sich mit Susanne Brandt auszutauschen. Komprimiert auf 2,5 Stunden haben wir Lehrerinnen viele Anregungen erhalten, wie wir mit Liedern, Bewegungen, Musikinstrumenten, und Sprechversen den Einsatz des Kamishibai ritualisieren können. Ein gelungener Nachmittag, der jeder Kollegin von uns Lust gemacht hat, das Tischtheater für sich (neu) auszuprobieren.

Anmerkung der Kamishibai-Redaktion: Haben Sie auch eine Erfahrung mitzuteilen oder Anregungen? Kontaktieren Sie uns gerne!

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