Weihnachten im Kindergarten: So passt es für alle!

Interkulturelle Begegnung mit einfachen Reihengeschichten

Publiziert am 08.11.2016 von Susanne Michels und Nadine Lücke

Die Vorweihnachtszeit ist für Kitas in jedem Jahr eine Herausforderung: Einerseits soll der christliche Hintergrund des Festes vermittelt werden. Andererseits steht dem Christkind der Weihnachtsmann gegenüber. Sind dann noch viele Familien aus unterschiedlichen Kulturen und Glaubensrichtungen in einem Haus vereint, verlangt es von den Erzieher:innen viel Einfühlungsvermögen und Offenheit.

Feste feiern im Kindergarten – gar nicht so einfach!

Viele Kindertageseinrichtungen werden von Kindern unterschiedlicher Herkunft , mit unterschiedlichen Religionen, Traditionen und Bräuchen besucht. Für das pädagogische Personal ist es manchmal gar nicht mehr so einfach, die christlichen Feste in der Kita auf dem Hintergrund der Vielfalt zu planen und zu feiern. Es herrscht Unsicherheit und immer wiederkehrender Diskussionsbedarf, ob man z.B. das Martinsfest in "Lichterfest" oder "Laternenfest" umbenennen sollte, damit Familien anderer Glaubensrichtungen daran teilnehmen wollen und können. Hier herrschen sehr unterschiedliche Auffassungen. Gleichzeitig sollen diese Feste Bestand haben, weil sie den Kindern Orientierung geben, Werte vermitteln und Traditionen und Bräuche in den Generationen weitergeben.

Wie können wir Weihnachten thematisieren, damit es für alle passt?

Auch das Weihnachtsfest ist in jedem Jahr eine solche Herausforderung: Der christliche Hintergrund des Festes soll einerseits vermittelt werden und nicht verloren gehen. Andererseits steht dem Christkind der Weihnachtsmann gegenüber und das Fest der Geschenke der Geburt Jesu. Sind dann noch viele Familien aus unterschiedlichen Kulturen und Glaubensrichtungen in einem Haus vereint, verlangt es von den Erzieherinnen und Erziehern viel Einfühlungsvermögen und Offenheit, sich den Gegebenheiten zu stellen und sich damit auseinanderzusetzen. Denn natürlich bringt auch jede/r Einzelne von ihnen eigene Erfahrungen und Einstellungen mit.

Das Weihnachtsfest wird sehr unterschiedlich begangen. Wir wollten eine Möglichkeit schaffen, die es allen Kindern und Familien ermöglicht, von ihrem Weihnachten erzählen zu können. Alle Erfahrungen der Kinder, alle Bräuche, Traditionen und Begegnungen sollten dabei berücksichtigt und wertgeschätzt werden. Feiern Kinder dieses Fest in ihrem familiärem Umfeld nicht, ist es für sie spannend und aufregend, etwas darüber zu erfahren. Denn schließlich begegnet ihnen der Begriff "Weihnachten" mit allem, was damit verbunden ist, spätestens an jedem Tag der Adventszeit, oftmals schon weit vorher mit den ersten Lebkuchen im September. Eine große Chance besteht dann darin, diese Familien besonders einzubeziehen: "Welche Feste sind in eurer Familie wichtig, was wird bei euch gefeiert?"

Unsere Idee: ein Erzählprojekt mit einer Reihengeschichte

In einer der vergangenen Vorweihnachtszeiten haben wir schließlich eine Geschichte mit offenenem Ende verfasst und künstlerisch gestaltet. Entstanden sind dabei 13 Bildkarten mit kurzen Texten dazu, die wir im Erzähltheater Kamishibai den Kindern vorgestellt haben. Die Geschichte erzählt vom kleinen Bären Ole, der während seines Winterschlafes von unbekannten Geräuschen geweckt wird. Er erfährt, dass Menschen Bäume schlagen, die für das Weihnachtsfest bestimmt sind. Doch leider weiß Ole gar nicht, was es mit diesem Fest auf sich hat. Also versucht er der Sache auch den Grund zu gehen. Er macht sich auf den Weg und bittet seine Freunde um Hilfe: den Hasen, das Reh, die Eule. Doch erst das kleine Menschenkind Nele kann ihm weiterhelfen. Die Geschichte endet an der Stelle, als Nele dem kleinen Bären Ole auffordert: "Komm herein ... dann erzähle ich dir von meinem Weihnachten."

Doch Neles Weihnachtsfest steht nicht im Mittelpunkt! Die Kinder werden motiviert, selber zu erzählen, die Erzieher/innen können unterstützend fragen:

  • Was kannst du Ole und den Kindern vom Weihnachtsfest erzählen?
  • Erzähle uns von deinem Weihnachtsfest!
  • Was magst du in der Weihnachtszeit ganz besonders?
  • Wie feiert ihr zu Hause?
  • Gibt es etwas, das dir gar nicht gefällt?
  • Möchtest du uns etwas Besonderes vorstellen? (Lied, Gedicht ...)
  • Mit wem feierst du Weihnachten?
  • Was wünscht ihr euch für diese Zeit hier bei uns im Kindergarten?
  • Wenn ihr Weihnachten nicht feiert, welches Fest gibt es in deiner Familie?

 

Nach den spontanen Erzählungen der Kinder bieten sich weitere Möglichkeiten der Umsetzung an:

  • Die Kinder malen ein Bild von ihrem Weihnachtsfest.
  • Die Kinder malen/erzählen die Geschichte von Neles Weihnachtsfest weiter.
  • Die Familien werden aktiv einbezogen: Falls Eltern persönlich von ihrem Fest oder dem Fest, das in der Familie wichtig ist, erzählen möchten, werden sie dazu in die Kita eingeladen. Unsere Erfahrung ist: selbst zurückhaltende Eltern wollen gern ihre Festtraditionen (mit)teilen.

Wir haben bei der der Durchführung des Projektes einen großen Schwerpunkt auf das Einbeziehen der Familien gelegt. Jede Familie hat eine Vorlage für einen Weihnachtsbrief erhalten. Wir haben sie eingeladen, uns auf diesen Briefen von ihrem Weihnachtsfest zu erzählen. Diese Briefe sind dann in unseren Adventskalender integriert worden. An jedem Tag im Advent wurde der Brief eines Kindes im Morgenkreis vorgelesen und die Kinder erfuhren, wie bei jedem Einzelnen zu Hause gefeiert wird. Jedes Kind stand an einem Tag mit seinem Weihnachtsfest im Mittelpunkt, die sehr ausführlichen und liebevoll geschriebenen Briefe haben allen viel Freude bereitet. Manches Mal wurde in den Briefen gestöbert und nachgelesen, viele spontane Gespräche haben wir auch im Kreis der Eltern wahrgenommen: "Wie ist es bei euch, wie war es früher ..." ?

Vorlage des Weihnachtsbriefes, den jedes Kind zum Gestalten nach Hause mitbekommen hat.

Die „ Weihnachtsbriefe“ sind nach Abschluss des Projektes im Portfolio der Kinder abgeheftet worden, als schöne Erinnerung an diese besondere Adventszeit.

Ausblick

Weitere Feste (Ostern, Sankt Martin, Zuckerfest) können von Ole und Nele entdeckt und als Erzählgrundlage genutzt werden, basierend auf Herkunft und Erfahrungen der Kinder in den Einrichtungen vor Ort. Somit kann die interkulturelle Arbeit, zugeschnitten auf den Erfahrungsbereich der Kinder mit ihren Familien, um viele Bausteine des gegenseitigen Verständnisses bereichert werden.

Susanne Michels ist Erzieherin und stellvertretende Leitung im Familienzentrum Schatenstraße, Hövelhof. Nadine Lücke ist Erzieherin im Familienzentrum Schatenstraße, Hövelhof.

Vielen Dank an Susanne Michels und Nadine Lücke für die Einsendung dieser Idee! Wenn auch Sie Ideen teilen oder von Ihren Erfahrungen mit dem Kamishibai berichten wollen, freuen wir uns über die Zusendung Ihrer Bilder und Geschichten an kamishibai@donbosco-medien.de.

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